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Ankunft auf Tavor Castle (aus der Rosecorn-Saga)

... Die Kutsche hielt und sie sah neugierig aus dem Fenster. Während ein Diener vom Hofe die kleine Treppe an der Kutsche ausklappte, erspähte sie ein prachtvolles Gebäude, das in die Breite gezogen war. Die Tür der Kutsche wurde geöffnet und sie trat langsam heraus. Ihr beiges Kleid streifte den gepflasterten Boden sacht.

 

Sie sah sich um: Viele Adelige schritten auf eine eindrucksvolle Tür zu, die von Dienern aufgehalten wurde. Sie tat ihnen gleich und schritt langsam durch den riesigen symmetrischen Garten. Zu ihrer Linken und Rechten standen steinerne Skulpturen, die, wie sie erkennen konnte, anscheinend die griechische Mythologie darstellen sollten. Weiter weg erkannte sie auch einen prachtvollen Brunnen, der von goldenen Götterstatuen und Planeten umringt wurde. Sie schritt weiter und nun sah sie einige Adelsfamilien, die anscheinend Federball spielten. Endlich stand sie vor der Tür und die Türsteher wünschten ihr einen schönen Abend. Sie nickte ihnen zu und ging in den Saal.

Was sie nun sah, verschlug ihr den Atem: Mehrere gläserne Kronleuchter hingen von der Decke, die mit handgemachten Malereien verziert war, und spendeten Licht. Es gab reichlich gedeckte Tische, an denen Leckereien und Getränke in silbernen Schalen und Bechern angeboten wurden. Überall waren Ansammlungen von den reichsten Menschen des Landes, die miteinander lachten, redeten und tuschelten. Die meisten hatten ein Glas Wein in der Hand.

Es roch stark nach Parfüm und im Hintergrund hörte man klassische Musik. Anscheinend war dies der Festsaal. Sie bemerkte, wie ein junger Mann in einer Uniform in ihre Richtung schritt. Als er näher kam, erkannte sie ihn: „Was tust du denn hier?“, zischte sie leise. Der Mann grinste und rückte seine goldbraune Uniform zurecht. Dann sagte er: „Ich bin genauso vom Fürsten eingeladen wie Sie, Lady Mondschein.“ „Ach ja? Sind Sie das, Lord Wenter?“, giftete Lady Mondschein zurück. „Wieso sollte ich nicht? Schließlich bin ich der oberster Offizier aller Drachenreiter in Alexia!“, lachte er und grinste Lady Mondschein an. „Wieso redest du eigentlich mit mir, Gray?“, fragte Lady Mondschein beleidigt. „Es wäre eigenartig, wenn du das Fest alleine genießen würdest. Siehst du nicht, dass es keinen einzigen gibt, der ohne mindestens eine Begleitperson dasteht? Du würdest auffallen und die Aufmerksamkeit auf dich ziehen“, flüsterte Lord Wenter und nickte unauffällig in den Saal hinein. Er hatte recht. Es waren mindestens zwanzig Adelige in einer Ansammlung und Lady Mondschein entdeckte wirklich niemanden, der gerade nicht mit jemanden redete. Sogar die Adeligen an den Tischen mit Leckereien standen in Dreiergruppen nebeneinander. Lady Mondschein sah aus dem Augenwinkel, dass ein Mann auf Gray und sie zukam.

Es war der Fürst höchstpersönlich. Er trug ein rotgoldenes Gewand. Gray verneigte sich tief und Lady Mondschein machte einen Knicks und senkte dabei ihren Blick auf den Boden. „Ihre Majestät! Was führt Sie zu uns?“, fragte Gray in einem übertriebenen höflichen Ton. „Nun… Lord Wenter... ich müsste dringend mit Ihnen über... wichtige Angelegenheiten sprechen, wenn Sie wissen, was ich damit meine“, schmunzelte er und warf einen flüchtigen Blick auf Lady Mondschein. „Aber natürlich, Mylord!“, sagte Gray und wandte sich an Lady Mondschein: „Lady Mondschein, es war mir eine Freude, sich mit Ihnen zu unterhalten!“ Er zwinkerte ihr unauffällig zu. „Waren Sie schon im Damensalon? Sie sind ja noch gar nicht für den Ball fertiggemacht!“, sprach Gray in einem gespielt empörten Ton. Lady Mondschein lächelte und erwiderte: „Oh ja! Sicher!“. Dann machte sie einen Knicks vor dem Fürsten, der sich höflich verneigte, und entfernte sich von ihnen.

 

Lady Mondschein sah sich weiter um. Was hatte Gray mit Damensalon gemeint? Gab es hier etwa einen Umkleideraum? Angespannt schritt sie zu den reichlich gedeckten Tischen. Ein lecker zubereiteter Fisch starrte mit leeren Augen zur prachtvoll bemalten Decke hinauf. Erst als sie sich ein Glas roten Wein nahm und davon trank, sah sie mehrere Damen, die kichernd und flüsternd in einen anderen Raum gingen. Lady Mondschein stellte ihr Glas ab und folgte ihnen mit raschen, aber vornehmen Schritten.

 

Der andere Raum war genauso gestaltet wie der Festsaal. Es hingen Bilder von wunderschön angezogenen Damen an den ebenfalls bemalten Wänden und viele Spiegel waren aufgestellt. Außerdem roch es stark nach Parfüm. Lady Mondschein schaffte es kaum, sich alles anzuschauen, als auch schon drei Hofdamen zu ihr hinüber eilten und sie mit sich zerrten. Eine von ihnen drückte Lady Mondschein auf einen vergoldeten Stuhl, während die anderen beiden verschwanden. „Wie heißen Sie, meine Liebe?“, fragte die eine, die bei Mondschein geblieben war. „Lady Mondschein Coswig von Gipfelsberg ist mein Name, aber nennen Sie mich nur meine Liebe!“, antwortete sie selbstbewusst. Die Hofdame nickte und schon kamen die anderen beiden Hofdamen herbeigeeilt. Sie trugen einen Stapel Röcke und ein Kleid auf ihren Armen. Die Hofdamen stellten die vielen Röcke ab und bedeuteten Lady Mondschein, ihr beiges Kleid auszuziehen. Lady Mondschein machte zwar einen verwirrten Eindruck, tat aber, was ihr befohlen war. Behutsam legte eine von ihnen ihr Kleid auf einen Stuhl. Die anderen nahmen eine Art Korsett vom Stapel. Die Hofdamen legten dieses an Mondscheins Bauch und eine andere sprach nun mit ruhiger Stimme: „Lady Mondschein. Sie müssen ganz tief Luft holen, wenn ich jetzt sage. Auf drei. Eins, zwei, drei...“ „Warten Sie! Was tun Sie denn...?“ „JETZT!“ Gerade noch konnte Lady Mondschein tief Luft holen, als eine Hofdame auch schon fest an den Strängen des Korsetts zurrte. Lady Mondscheins Rippen wurden prompt gequetscht und sie spürte, wie sich ihr Magen nach oben schob. Noch ein paar Mal musste sie diese Qual ertragen, bis die Hofdame hinter ihr die Bänder zusammen band. Dann reichten die Hofdamen ihr die Röcke. „Hier. Ziehen Sie sich die Unterröcke an!“, meinte eine von den Hofdamen. „Was? Etwa alle?“, fragte Lady Mondschein und starrte entgeistert auf den Stapel. „Ja. Alle.“

 

Während Lady Mondschein die Röcke anzog, bereiteten die Bediensteten ihr ein Kissen vor. Das sollte sie sich an ihre Hüften binden. „Dies ist ein Hüftpolster“, erklärte ihr eine von den Hofdamen. Als Lady Mondschein auch das Hüftpolster angezogen hatte, kam endlich das Kleid. Es war beige und sehr breit, was es noch königlicher aussehen ließ. Sie erkannte, dass es aus feinster Seide war und mit wunderschönen Mustern bestickt war. Langsam zog sie es an.

 

 

... „Nun... sind Sie damit denn einverstanden?“, fragte der Fürst Gray höflich. „Also mir würde es keine Umstände machen“, erwiderte dieser. „Gut. Dann ist es so abgemacht. Ich hoffe sehr, Sie eines Tages wieder zu treffen, Lord Wenter. Es ist mir immer ein Vergnügen mit Ihnen Geschäfte zu machen!“, sagte der Fürst förmlich und verabschiedete sich mit einer Verbeugung. Gray tat ihm gleich. Dann verstummte die Musik auf einmal und alle Lichter gingen aus...

 

(Fortsetzung folgt.)

 

                                                                    

Sarah K.

 

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