Der Wunschring

Ich habe ihn gefunden. Vor etwa einem halben Jahr. Er ist mein treuer Begleiter, mein Freund, mein Verbündeter. Der Ring. Der goldene Ring mit dem Rubin in der Mitte. Wenn ich mir etwas wünsche, glüht der Rubin auf. Ich muss nur ganz leicht drücken und er wird wahr, mein Wunsch. Fliegen, Tauchen, Gewichtheben – was immer es ist – es wird geschehen. Ein leichter Druck reicht, und ich kann die Welt verändern.

 

 

Als ich ihn fand, lag der Ring im Moos. Er sah aus wie ein Schmuckstück aus vergangenen Zeiten. Er glühte! Ich erschrak, wurde neugierig, steckte ihn mir an. Seine Magie aber habe ich erst vor kurzem entdeckt, als ich mir wünschte, dass meine Hausaufgaben sich doch bitte von selbst erledigen sollten und ich dabei versehentlich den Rubin berührte: Mein Wunsch wurde wahr.

 

 

Seitdem benutze ich den Ring ständig: Im Nu stehen die Frühstückssemmeln auf dem Tisch, mein Kleiderschrank füllt sich mit wunderschöner Designerware, mein Vater muss nicht mehr fort von zu Hause, um sein Geld als Kapitän zu verdienen, denn er hat im Lotto gewonnen, und meine Mutter ist von ihren Rückenschmerzen geheilt und braucht nie mehr ins Büro zu gehen. Jeden Sonntag werden Familienausflüge unternommen und in der Schule geht es mit den Noten steil bergauf. Manchmal fühle ich mich mies, weil ich alles haben kann, was ich will, ohne je dafür gearbeitet zu haben. Doch diese Gedanken verdränge ich schnell. Jeder hätte den magischen Ring finden können. Jeder! Aber entdeckt habe ich ihn. Also rede ich mir ein, dass es so genau richtig ist.

 

 

Doch dann überspringe ich eine Klasse – und meine Schuldgefühle wachsen. Ich sehe ein, dass es nicht so weitergeht, aber den Rausch an Macht möchte ich nicht einfach aufgeben. Wenn man ihn nicht zu eigenen Zwecken benutzt, überlege ich mir, könnte man mit dem Ring viel Positives tun: Obdachlosen ein Zuhause geben, Kriege beenden, Waisen ihre Eltern zurückgeben. Aber steht es mir zu, solche Entscheidungen zu treffen? Hat nicht alles einen Sinn? Doch welcher Sinn liegt darin, dass Unschuldige leiden oder sterben müssen? Womöglich könnte ich sogar die Vergangenheit beeinflussen, dann wären der Erste und der Zweite Weltkrieg dank meiner Wunschkraft nie ausgebrochen…

 

 

Aber wie soll eine Minderjährige entscheiden, was der Welt gut tut und was nicht?

 

 

Ich kann es nicht. Ich streife den Ring ab und lege ihn in eine Schatulle. Soll der nächste Besitzer entscheiden, was er mit dem Ring machen möchte. Bevor ich den Schatullendeckel schließe, wünsche ich mir, dass der Nächste, der ihn findet, klug handeln wird. Dann mache ich mich auf den Weg und verstecke ihn, den Rubinring. Alles was ich mir je gewünscht habe, ist erfüllt und meine Zukunft durch Wünsche abgesichert. Nun soll der nächste Finder glücklich werden.

 

 

Bernadette Niedermeier, G 10A

 

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Kommentare: 1
  • #1

    #krümelmonster (Freitag, 09 März 2018 09:57)

    voll spannend und cool aber ich glaube es ist fake